AM ANFANG WAR DAS WORT AM.*
4 POSITIONEN I

Via Lewandowsky | Nanne Meyer | * Timm Ulrichs | Ruth Wolf-Rehfeldt
im Kabinett: Carsten Sievers

9. April – 2. Juli 2017

Eröffnung am Sonntag, 9. April 2017, 17 Uhr
Es sprechen Achim Freyer, Michael Glasmeier und Christian Kesten.

Schrift und bildende Kunst. Der konzeptuellen Verschränkung beider Felder widmet sich die Ausstellung mit Werken von künstlerischen Positionen, in denen ikonische und/oder semantische Wahrnehmungen der Zeichen in konstruktive Spannungsverhältnisse treten. Die Schrift selbst wird zum Bild/Objekt, trägt das Bild/Objekt, provoziert es, versteckt sich in ihm, ist dessen legendär machende Legende… Indem die Arbeiten unsere Wahrnehmungsgewohnheiten irritieren, uns zum Nach-Schauen, Nach-Lesen wie Nach-Denken animieren, stellen sie auch die Frage nach dem Anfang, vor allem aber die Frage nach einem „Wie überhaupt?“ und „Wie weiter?“.

Es sei hinzuzufügen, dass sich die Ausstellung nicht als Beitrag zum „Deutschen Luther-Jahr“ versteht. Denn möglicherweise war die Reformation vielleicht doch eher ein „ideologische[r] Ausdruck tiefgreifender Veränderungen auf dem damaligen europäischen Wollmarkt“, wie Ernst Bloch in seiner Tübinger Einleitung in die Philosophie Karl Kautsky zitierte.

Wir danken Timm Ulrichs für die Zurverfügungstellung des Ausstellungstitels.
Wir danken dem Verlag Lutz Wohlrab und den Artikel Editionen, Berlin für die Kooperation.

Eröffnungsrede von Prof. Dr. Michael Glasmeier

Film 1 über Ausstellung
Film 2 über Ausstellung

DIE KÜNSTLER

Via Lewandowsky, War das mit G. abgesprochen?, 2014
Ballpoint-Pen auf Karteikarte, 7,5 x 10,5 cm
© VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Via Lewandowsky (1963 in Dresden geboren, lebt in Berlin) studierte von 1982 bis 1987 an der Hochschule für Bildende Künste Dresden Zwischen 1985 und 1989 veranstaltete er dort mit der Avantgardegruppe der Autoperforationsartisten subversive Performances, die den offiziellen Kunstbetrieb der DDR unterliefen. 1989 verließ er die DDR und zog nach West-Berlin. Stipendien führten ihn u. a. nach New York, Rom, Peking oder Kanada. Der mit wechselnden künstlerischen Medien arbeitende Künstler war 1992 Teilnehmer der documenta IX, erhielt 1995 den Kunstpreis der Leipziger Volkszeitung und 2005 den Deutschen Kritikerpreis. www.vialewandowsky.de

Nanne Meyer, etwa, 2017
Bleistift und Ölfarbe auf liniertem Papier, 20,5 x 14,8 cm

Nanne Meyer (1953 in Hamburg, lebt in Berlin) studierte an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg bei Gerhard Rühm und Tomas Schmit und hat sich seit Anfang der 1980er-Jahre ganz auf das Medium der Zeichnung konzentriert. 1982 ging sie mit einem DAAD Stipendium nach London, studierte an der Saint Martins School of Art Animationsfilm und lebte bis 1986 überwiegend in London. 1986/87 führte sie der Villa Massimo Preis nach Rom. 2013 wurde sie für ihr Gesamtwerk mit dem Künstlerinnenpreis NRW, Hauptpreis für Zeichnung, und 2014 mit dem Hannah-Höch-Preis des Landes Berlin ausgezeichnet. Von 1994 bis 2016 war sie Professorin an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. nannemeyer.de

Timm Ulrichs, AM ANFANG WAR DAS WORT AM., 1962
Siebdruck (gold) auf Acrylglas (schwarz, poliert), 14,8 x 10,5 cm
Artikel Editionen, Berlin 2017

Timm Ulrichs (in 1940 in Berlin geboren, lebt in Hannover) studierte von 1959 bis 1966 Architektur an der Technischen Hochschule Hannover und gründete 1961 die Werbezentrale für Totalkunst. Er lehrte von 1969 bis 1970 an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig sowie von 1972 bis 2005 als Professor für Bildhauerei und Totalkunst an der Staatlichen Kunstakademie Münster. 1970 fand seine erste Totalkunst-Retrospektive in Krefeld statt, sieben Jahre später war er Teilnehmer der documenta 6 in Kassel. 2011 widmeten das Sprengel Museum und der Kunstverein Hannover “dem Pionier der Konzeptkunst und selbst ernannten ‚Totalkünstler’ Timm Ulrichs” eine große Retrospektive unter dem Titel Betreten der Ausstellung verboten.
www.wentrupgallery.com/artist/timm-ulrichs/

Ruth Wolf-Rehfeldt, A wie Arsen, 1972
Schreibmaschine auf Papier, 29,7 x 21 cm

Ruth Wolf-Rehfeldt (1932 in Wurzen geboren, lebt in Berlin) studierte nach einer Lehre als Industriekauffrau an der Humboldt-Universität Berlin Philosophie. 1954 lernte sie Robert Rehfeldt kennen, fand eine Tätigkeit in der Akademie der Künste der DDR, schrieb, zeichnete und malte nebenher. Anfang der 1970er-Jahre begann sie, ihre typischen Typewritings zu entwickeln und sich am internationalen Netzwerk der Mail Art zu beteiligen. Nach einer regen Ausstellungstätigkeit, oft an der Seite ihres Mannes, stellte sie 1990 ihre künstlerische Arbeit ein. Mit der Retrospektive zu ihrem 80. Geburtstag leitet das Studienzentrum für Künstlerpublikationen an der Weserburg in Bremen eine Neubewertung ihres Schaffens ein. 2017 wird sie auf der dokumenta 14 vertreten sein.
chertluedde.com/artist/ruth-wolf-rehfeldt
wohlrab-verlag.de

Carsten Sievers, Doch auf, schreite nun fort, und singe des hölzernen Pferdes Schaffung, 1999
Holz, Messing, Schrauben, 11 x 730 x 10 cm
Foto: Uwe Walter, Berlin

Carsten Sievers (1969 in Frankfurt am Main geboren, lebt in Berlin) studierte von 1989 bis 1998 Architektur an der Hochschule der Künste, Berlin. Seit 1998 ist er als freischaffender Künstler tätig. Die seither entstehenden Arbeiten – Zeichnungen und Objekte – sind „konzeptuelle Versuchsanordnungen, in denen ein höchst reduziertes Instrumentarium an künstlerischem Formenvokabular ebenso einfachen wie strengen Manipulationen unterworfen wird,“ (Reinhard Spieler) und waren/sind auf zahlreichen Ausstellungen in In- und Ausland zu sehen, aktuell in der Galerie Eigen+Art, Berlin.
www.eigen-art.com
artmap.com/carstensievers

ERÖFFNUNG

AUSSTELLUNGSANSICHTEN

Fotos: Ulrich Freyer

VERANSTALTUNG

Sonntag, 23.04.2017, 17 Uhr
Lesung / Buchpräsentationen

Peter Waterhouse, Nanne Meyer: Die Auswandernden
Herausgegeben von Manfred Rothenberger und dem Institut für moderne Kunst Nürnberg, 256 Seiten mit 58 doppelseitigen Farbabbildungen, Hardcover, 14 x 21 cm, Berlin 2016
Ein Roman über die Liebe des Autors zu Menschen am Rande der Gesellschaft, ein Roman über seine Liebe zur Sprache, zu Wörtern und Wortklängen, zu Sinnschärfung und Sinnerweiterung sowie das Dokument einer kongenialen Kooperation. Die Künstlerin Nanne Meyer antwortet auf den Text – ihre Linienlandschaften, Farbwirbel und Strichwolken schreiben ihn vielstimmig weiter. So finden Text und Bilder in Die Auswandernden auf eindringliche Weise zueinander und schärfen die Sinne für die Wahrnehmung unserer Welt – einer ebenso kostbaren wie verletzlichen Welt.

Ruth Wolf-Rehfeldt: Schrift Stücke. Typewritings und Gedichte
Herausgegeben vom Verlag Lutz Wohlrab, 80 Seiten mit 57 Typewritings und 46 Gedichten, Hardcover, 21,6 x 15,3 cm, Berlin 2016
Ruth Wolf-Rehfeldt war eine singuläre Erscheinung. Keiner hat sich in der DDR so intensiv wie sie mit Schreibmaschinengrafik beschäftigt. Vor allem in der internationalen Szene der Konkreten und Visuellen Poeten hat sie sich einen Namen gemacht.
Sie beschäftigte sich mit den Problemen einer geteilten Welt, der Aufrüstung und Friedensbewahrung, der Information und ihrer Einschränkungen. Sie nutzte alle technischen Möglichkeiten zur Verbreitung ihrer Kunst und die Mail Art als Medium. Beeindruckend sind ihr Einfallsreichtum und ihre Sorgfalt, mit der sie in immer neuen Variationen und Serien auf der Klaviatur der Schreibmaschine spielte. Sie kreierte Zeichen-Räume und Schilder-Wälder und nahm, so sehen es heute manche, bereits das digitale Zeitalter vorweg.

Es liest Judith Diamantstein. Es sprechen Nanne Meyer und Ruth Wolf-Rehfeldt.

Fotos: Gisela Wendel